Mittwoch, 27. November 2013

Wacht auf!

Es ist schon wieder passiert. Diesmal waren es Fans des 1. FC Union Berlin die einen, inzwischen fast als tragisch gängig zu bezeichnenden, unverhältnismäßig gewalttätigen Einsatz der Polizei "über sich ergehen lassen mussten".
Klar, oft machen es Fußballanhänger der Staatsgewalt auch nicht einfach, Provokationen und Beleidigungen gehen an vielen Spieltagen doch sehr leicht über die Lippen. Dennoch, die Masse an Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit (man erinnere sich nur an das Schalker Championsleaguespiel gegen PAOK Saloniki) zeigt die absolute Notwendigkeit eines Umdenkens Deutschlands gegenüber seinen "Beschützern".

Dabei sei an dieser Stelle ganz klar erwähnt: Es geht nicht darum, alle Polizisten als solches zu denunzieren. Viele Beamten gehen ihren Beruf gewissenhaft und vorbildlich an.
Aber es gibt auch Negativbeispiele, und es wird Zeit, dass diese sich für ihre Taten verantworten müssen.

Kennzeichnungspflicht!

Ein heiß, teil abstrus diskutiertes Thema ist die sogenannte Kennzeichnungspflicht. Dabei geht es darum, Polizisten im Einsatz, die oft in schwerer Montur auftreten, anhand von Nummern auszuweisen, sodass eventuelle Opfer von unverhältnismäßiger Polizeigewalt oder anderen Straftaten den Täter zweifelsfrei identifizieren können.
Dass sich Ordnungshüter im Schutz der Anonymität ein ums andere Mal falsch verhalten, ist nicht erst seit den Demonstrationen gegen "Stuttgart 21" bekannt. Warum aber banalisieren Polizeigewerkschafter dieses Problem und drängen sich bei aufkommenden Diskussionen selbst in die Rolle missverstandener Opfer einer Dramatisierung durch potentielle Wutbürger und Medien?

Die Polizei lässt Kritik nur ungern zu. Oft stellt sie sich schützend vor ihre Beamte, sucht die Schuld ausschließlich bei deren Anklägern, egal ob Fußballfan oder Demonstrant.
Denn: Verurteilte Polizisten schaden dem Mythos einer fehlerfreien Behörde, die allein für ein sicheres Miteinander sorgt. Auch im obigen Falle Union Berlins ließ die Antwort des Polizeigewerkschafts-Vorsitzenden Wendt nicht lange auf sich warten. Die Vorwürfe seien "unverantwortliches Gerede auf Kreisklassenniveau", eine dieser legendär populistischen Aussagen, mit denen er sich längst zum Hassobjekt vieler Fußballfans aufgeschwungen hat.
Selbstkritik? Nicht die Spur.

Vor Gericht haben es Anklagende ebenfalls häufig schwer. Nicht selten passen Ausführungen verschiedener Polizeibeamter auffallend gut zueinander. Steht Aussage gegen Aussage, können Gesetzeshüter sich oft auf die Unterstützung aus eigenen Reihen verlassen, ein normaler Bürger hat diese Möglichkeit natürlich nicht.
Zudem arbeiten Staatsanwaltschaft und Polizei oft zusammen, es besteht ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis.
Genaue Statistiken sind schwer zu finden, Tobias Singelstein, Professor für Stafrecht der FU Berlin, hat aber ausgerechnet, dass ungefähr 95% der Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen Polizisten eingestellt werden.

Die Bevölkerung muss aufwachen

So liegt es an der Bevölkerung, Kontrollorgan zu sein.
Doch in großen Teilen Deutschlands genießen Polizisten noch immer eine Art Nimbus der Unfehlbarkeit. Kritiker müssen sich nicht selten vorwerfen lassen, Straftäter schützen oder aufwiegeln zu wollen. Dabei ist Polizeigewalt längst im Alltag angekommen, und eine bequem ignorante Einstellung wird auf Dauer nicht davor schützen.

Wie kann es zum Beispiel sein, dass mitten in Berlin ein geistig verwirrter Mann, ohne Warnung, niedergeschossen wird, und der öffentliche Aufschrei dem Zirpen einer Grille gleicht?
Zugegeben, der Polizist hatte die schier unüberwindbare Hürde einer 40cm Kante im Rücken, aber hätte er nicht wenigstens auf die Beine zielen können?

Ermittlungen gegen den Beamten wurden inzwischen eingestellt. "Notwehr", so lautet die Begründung. Wie immer eigentlich.
Berichte über ähnliche Vorfälle gibt es zahlreich, passiert ist bis heute nichts. Die Öffentlichkeit muss anfangen, sich mit diesem unangenehmen Thema endlich stärker auseinander zu setzen.

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