Sonntag, 18. Januar 2015

KeinFilmGeschmack

Whiplash























Regie: Damien Chazelle

Stars: Miles Teller, J.K. Simmons, Melissa Benoit

Kritik:
Wie weit würdest du gehen, um deinen Traum zu verwirklichen? Dieser Frage stellt sich Andrew (Miles Teller), ein 19-jähriger Drummer, gerade an der besten Musikschule des Landes angenommen. Schon nach kurzer Zeit erweckt er das Interesse des berüchtigten Dirigenten und Ausbilders Terrence Fletcher (J.K. Simmons). Dieser, getrieben von verbissenem Ehrgeiz, scheint vor nichts zurückzuschrecken, um aus seinen Schülern das maximal mögliche Potential herauszuholen. Besessen von dem Ziel einmal zu den Großen des Jazz zu gehören, stellt sich Andrew dieser Herausforderung und überschreitet dabei körperliche und mentale Grenzen.

Whiplash ist ein Film, der das Wort "Intensität" so gut verkörpert wie kaum ein anderer. Während Regisseur Chazelle auch die ruhigen Momente gekonnt und unaufgeregt begleitet, sind es die schnellen, intensiven, körperlichen Szenen, in denen sich sein Genie entfaltet. Selten konnte man physische Anstrengungen so real mitempfinden, selten schaffte ein Film mehr elektrisierende Momente. Beide, Miles Teller und J.K. Simmons, bieten herausragende Leinwandpräsenz und treffen jeden Ton.
Über allem schwebt die Frage, wie viel ist zu viel? Wie weit muss, und wie weit darf man gehen? Für Fletcher ist klar, zu weit gibt es nicht. Er treibt seinen Schüler über physische und emotionale Grenzen der Belastbarkeit hinaus, wissend dass es nichts Schädlicheres gibt als folgende zwei Worte: "good job".
Dabei steht schlussendlich nicht der Konflikt zwischen Andrew und Fletcher im Vordergrund, sondern der zwischen einem jungen, talentierten Drummer und sich selbst.

Die Musik ist auch nicht schlecht.


Mittwoch, 27. November 2013

Wacht auf!

Es ist schon wieder passiert. Diesmal waren es Fans des 1. FC Union Berlin die einen, inzwischen fast als tragisch gängig zu bezeichnenden, unverhältnismäßig gewalttätigen Einsatz der Polizei "über sich ergehen lassen mussten".
Klar, oft machen es Fußballanhänger der Staatsgewalt auch nicht einfach, Provokationen und Beleidigungen gehen an vielen Spieltagen doch sehr leicht über die Lippen. Dennoch, die Masse an Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit (man erinnere sich nur an das Schalker Championsleaguespiel gegen PAOK Saloniki) zeigt die absolute Notwendigkeit eines Umdenkens Deutschlands gegenüber seinen "Beschützern".

Dabei sei an dieser Stelle ganz klar erwähnt: Es geht nicht darum, alle Polizisten als solches zu denunzieren. Viele Beamten gehen ihren Beruf gewissenhaft und vorbildlich an.
Aber es gibt auch Negativbeispiele, und es wird Zeit, dass diese sich für ihre Taten verantworten müssen.

Kennzeichnungspflicht!

Ein heiß, teil abstrus diskutiertes Thema ist die sogenannte Kennzeichnungspflicht. Dabei geht es darum, Polizisten im Einsatz, die oft in schwerer Montur auftreten, anhand von Nummern auszuweisen, sodass eventuelle Opfer von unverhältnismäßiger Polizeigewalt oder anderen Straftaten den Täter zweifelsfrei identifizieren können.
Dass sich Ordnungshüter im Schutz der Anonymität ein ums andere Mal falsch verhalten, ist nicht erst seit den Demonstrationen gegen "Stuttgart 21" bekannt. Warum aber banalisieren Polizeigewerkschafter dieses Problem und drängen sich bei aufkommenden Diskussionen selbst in die Rolle missverstandener Opfer einer Dramatisierung durch potentielle Wutbürger und Medien?

Die Polizei lässt Kritik nur ungern zu. Oft stellt sie sich schützend vor ihre Beamte, sucht die Schuld ausschließlich bei deren Anklägern, egal ob Fußballfan oder Demonstrant.
Denn: Verurteilte Polizisten schaden dem Mythos einer fehlerfreien Behörde, die allein für ein sicheres Miteinander sorgt. Auch im obigen Falle Union Berlins ließ die Antwort des Polizeigewerkschafts-Vorsitzenden Wendt nicht lange auf sich warten. Die Vorwürfe seien "unverantwortliches Gerede auf Kreisklassenniveau", eine dieser legendär populistischen Aussagen, mit denen er sich längst zum Hassobjekt vieler Fußballfans aufgeschwungen hat.
Selbstkritik? Nicht die Spur.

Vor Gericht haben es Anklagende ebenfalls häufig schwer. Nicht selten passen Ausführungen verschiedener Polizeibeamter auffallend gut zueinander. Steht Aussage gegen Aussage, können Gesetzeshüter sich oft auf die Unterstützung aus eigenen Reihen verlassen, ein normaler Bürger hat diese Möglichkeit natürlich nicht.
Zudem arbeiten Staatsanwaltschaft und Polizei oft zusammen, es besteht ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis.
Genaue Statistiken sind schwer zu finden, Tobias Singelstein, Professor für Stafrecht der FU Berlin, hat aber ausgerechnet, dass ungefähr 95% der Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen Polizisten eingestellt werden.

Die Bevölkerung muss aufwachen

So liegt es an der Bevölkerung, Kontrollorgan zu sein.
Doch in großen Teilen Deutschlands genießen Polizisten noch immer eine Art Nimbus der Unfehlbarkeit. Kritiker müssen sich nicht selten vorwerfen lassen, Straftäter schützen oder aufwiegeln zu wollen. Dabei ist Polizeigewalt längst im Alltag angekommen, und eine bequem ignorante Einstellung wird auf Dauer nicht davor schützen.

Wie kann es zum Beispiel sein, dass mitten in Berlin ein geistig verwirrter Mann, ohne Warnung, niedergeschossen wird, und der öffentliche Aufschrei dem Zirpen einer Grille gleicht?
Zugegeben, der Polizist hatte die schier unüberwindbare Hürde einer 40cm Kante im Rücken, aber hätte er nicht wenigstens auf die Beine zielen können?

Ermittlungen gegen den Beamten wurden inzwischen eingestellt. "Notwehr", so lautet die Begründung. Wie immer eigentlich.
Berichte über ähnliche Vorfälle gibt es zahlreich, passiert ist bis heute nichts. Die Öffentlichkeit muss anfangen, sich mit diesem unangenehmen Thema endlich stärker auseinander zu setzen.

Freitag, 22. November 2013

KeinFilmGeschmack

Heute:

















The 400 Blows (imdb 8.1/10)


Plot:
Antoine Doinel, ein 12-jähriger Junge aus Paris, hat einen schweren Stand bei seinen Lehrern.
Mitgezogen von seinen Schulkameraden fällt er besonders durch Streiche auf, während seine Eltern ihm zumeist jegliche Aufmerksamkeit verwehren. Als er anfängt die Schule zu schwänzen, von Zuhause davon zu laufen und Sachen zu stehlen, wird Antoine in ein Heim für Schwererziehbare geschickt.

Warum man ihn sehen sollte:
Auch wenn er versucht etwas richtig zu machen, geht alles schief. Wann immer Antoine für etwas Begeisterung zeigt, wird sie unterdrückt. Der Film zeigt die tragisch berührende Geschichte eines missverstandenen Jungen, dessen schwierige Lebensumstände ein glückliches Leben unmöglich zu machen scheinen.
Dabei trumpft Francois Truffauts Debütwerk mit entwaffnender Authenzität und quasi perfekter Regie auf.
Auch Hauptdarsteller Jean-Piresse Léaud beeindruckt mit starken Ausdruck, sodass sich kaum jemand einer gewissen Empathie für den Jungen entziehen werden kann.
Dabei bleibt der Film seinem ruhigen Ton treu, wird nie hektisch, und weiß mit einer ikonischen Schlussszene perfekt zu enden.

Montag, 18. November 2013

Die Mär vom notwendigen Zweikampf

Die Idee ist nicht neu, dank Felix Magath aber wieder aktuell: "Eigentlich müsste man sie [Bayern München und Borussia Dortmund] aus dem nationalen Wettbewerb ausschließen - eine Europa-Liga wäre ehrlicher".
Diese Worte gab der ehemalige Trainer etlicher Bundesligamannschaften, darunter Wolfsburg und Bayern, vor kurzem zum Besten.

Warum, verstehe ich allerdings nicht. Da ich ihn für einen durchaus intelligenten Menschen halte, bliebe die einzig sinnvolle Motivation, sich selbst der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Immerhin hat er im gleichen Interview den Wunsch nach einem erneuten Engagement in der Bundesliga geäußert.

Um die Idee zu entlarven, muss man lediglich in die jüngere Vergangenheit von Borussia Dortmund schauen. Innerhalb weniger Jahre haben sie sich von der Fast-Insolvenz zu Deutschlands zweiter Kraft gemausert, sind Meister geworden und letzte Saison bis ins Champions-League Finale vorgedrungen.
Ähnlich strukturstarke Clubs wie Schalke 04 oder der HSV hätten alle theoretischen Möglichkeiten, es ihnen gleich zu tun. Mehr noch, die Ausgangsposition wäre wesentlich besser als die des BVB vor einigen Jahren.

Dass sie es nicht tun, liegt an den Verantwortlichen des Clubs, dem Management sowie dem Vorstand.
Vereine zu bestrafen, nur weil sie bessere Arbeit als andere leisten, ist grotesk, und entbehrt jeglicher sportlichen Grundlage.

Noch ein Vergleich: Der VFL Wolfsburg hat in den letzten 4 Jahren ein Transferminus von 56.575 Millionen Euro eingefahren, Dortmund ein Transferplus von 2.865 Millionen Euro. Dabei gaben die Niedersachsen 63.7 Millionen Euro mehr für Ablösesummen aus.
[Zahlen von http://www.transfermarkt.de]
Das Problem lag hier also nicht an den angeblich zu hohen Mitteln des BVB, sondern im Missmanagement von Magaths ehemaligem Verein.

Zudem sind die Unterschiede nicht so groß, wie manche einem glauben lassen wollen. Letzte Saison beendete Bayer Leverkusen die Saison nur einen Punkt hinter Dortmund, und in dieser Spielzeit sind sie bis dato sogar punktgleich.

Was Bayern München angeht, so gab es im letzten Jahrzehnt immer mal wieder Clubs, die ihnen ihre Vorherrschaft streitig gemacht haben. Momentan mögen sie unaufhaltbar wirken, aber auch das wird in wenigen Jahren anders aussehen, wenn Säulen wie Lahm oder Schweinsteiger erstmal die 30 überschritten haben.

Weniger Jammern, mehr tun. Die Dominanz der Spitzengruppe haben sich viele Vereine selbst zuzuschreiben.


Früchte der Arbeit

Ewig, so schien es, musste Roman Weidenfeller auf seine erste Nominierung zur Nationalmannschaft warten.
Das lag in erster Linie nicht an seinen Leistungen, sondern dem angespannten Verhältnis zu Bundestrainer Löw und seinem Stab.
Nun hat diese Zeit des Darbens, für mich etwas überraschend, doch noch ein Ende gefunden. Beim Länderspiel gegen England wird der Dortmunder seine Premiere im Tor der Nationalelf geben.
Dies ist nicht etwa ein Geschenk, um dem alternden Auslaufmodell doch noch seinen inneren Frieden zu gewähren, sondern logische Konsequenz aus Weidenfellers Auftritten der letzten Jahre.

Profi seit 1999, wechselte er 2002 nach Dortmund um ein Jahr später den inselreifen Jens Lehmann zu beerben. Allerdings konnte er anfangs die Erwartungen nicht erfüllen und sah sich, einige unglückliche Spiele später, schnell auf der Bank wieder.
Erst in der Saison 05/06 festigte er seinen Stammplatz, zeigte teils herausragende Leistungen.
Heute, 8 Jahre später, kann er auf eine großartige Karriere als Dortmunder Urgestein zurückgucken.
Zwei Meisterschaften, ein DFP-Pokal Sieg, 300 Bundesligaspiele und nicht zuletzt das Championsleague Finale 12/13.

Und genau jenes Finale ist ein entscheidender Grund, weshalb Weidenfeller für Löw noch wertvoll sein könnte. Auch wenn Dortmund das Spiel verlor, zeigte er eine starke Leistung, vereitelte mehrere Großchancen der Bayern. Zuvor hatte er schon gegen Madrid und Malaga bewiesen, in Drucksituationen nicht einzuknicken, im Gegenteil, sondern erst dort zu Höchstform aufzulaufen.
Hier liegt ein entscheidender Unterschied zu seinem Konkurrenten Ron-Robert Zieler, der auf internationalem Top-Niveau keine Erfahrung hat.

Auch hätte Löw den Dortmunder Schlussmann nicht berufen, würde er nicht für die WM mit ihm planen. Gerade da der Bundestrainer öffentlich immer wieder kritisch beäugt wird, oft im Zusammenhang mit seinem Verhalten gegenüber einzelnen Spielern, wäre ihm durch weitere Nichtbeachtung Weidenfellers ein potentieller Diskussions- und Streitpunkt erspart geblieben.

Doch Löw weiß um die Bedeutung von Erfahrung, Persönlichkeit und Zuverlässigkeit bei einem großen Turnier. Zieler ist 24, in der gleichen Torwartgeneration wie Deutschlands Nummer eins Manuel Neuer. Kein Perspektivtorhüter, dem man im Zuge eines Reifeprozesses noch internationale Erfahrung mitgeben müsste. Daher sprechen alle Argumente für den momentan besseren, erfahrenen BVB-Keeper.

Roman Weidenfeller wird zur WM nach Brasilien fahren, da lege ich mich fest.
Und womit? Mit Recht.

Montag, 11. November 2013

Der Preis des Erfolges

30. April 2011, Heimspiel gegen Nürnberg. Dortmund wird zum ersten Mal seit 2002 wieder Meister - und das völlig überraschend.
Auch wenn die Erinnerungen langsam verblassen, einige Momente werde ich wohl nie mehr vergessen. Das Tuscheln im Stadion, bevor Nobby endlich die Kölner Führung ins Stadion hinaus gebrüllt hat. Endloses auf- und ab hüpfen, feiern, dem Fremden vor und hinter dir gleichzeitig im Arm liegen. Die Übergabe der Schale, wie es sich gehört auf dem Rasen, nicht der VIP-Tribüne.
Meine Eltern erzählen heute noch, wie ich, zurück im beschaulichen Niedersachsen, förmlich durchs Haus geschwebt bin. Selbst jetzt kommt das alte Kribbeln wieder hoch.

Das schöne an dieser Meisterschaft war: Sie übertraf alles, was ich mir vor der Saison an Erwartungen ausgemalt hatte.
Schon die Kloppschen Jahre davor haben mich glücklich gemacht. Es ging stetig bergauf, bei jedem Aufeinandertreffen konnte man auf einen Sieg hoffen, ohne nachher allzu niedergeschlagen zu sein, wenn am Ende doch weniger rausgesprungen war.
Man war das Gewinnen einfach noch nicht so gewohnt. Hoffnungsvoll, angespannt, aber nie verkrampft - solang meine Mannschaft gekämpft hat war alles gut.

Heute ist das anders. Der Erfolg hat mich verändert, und dabei wollte ich es doch nie geschehen lassen.

Versteht mich nicht falsch, Erfahrungen wie die Meisterschaft möchte ich nicht missen, und um die Tabellenführung zu spielen ist besser als gegen den Abstieg zu kämpfen.
Aber trotzdem, früher war es leichter.
Inzwischen schüttelt mich jede Niederlage, und auch wenn ich es vor mir selbst nicht gerne zugebe: Ich erwarte in fast jedem Spiel einen Sieg.
Dauernd halte ich mir unsere Vergangenheit vor Augen, wo wir waren, woher wir kommen, was erreicht wurde. Wie viel Glück ich als BVB-Fan eigentlich verspüren müsste.
Und ja, oft tue ich das. Aber dann gibt es Spiele wie gegen Wolfsburg, nach denen ich mich über die Mannschaft aufrege, ohne überhaupt zu reflektieren, ob das angebracht ist.
Nein, ist es nicht, denn der Kampf war da. Im Nachhinein ärgert mich meine überzogene Erwartungshaltung, und doch überkommt sie mich eins ums andere Mal.

Ich bin verwöhnt, will es aber gar nicht sein.

Der Erfolg hat jedoch noch andere Tücken parat.
Die mediale Präsenz des BVB ist in den letzten Jahren extrem gestiegen. Damit einher gehen natürlich immer viele Artikel, die sich an Kleinigkeiten aufreiben um irgendwie eine Story erzählen zu können. Ich habe es in diesem Blog schon einige Male erwähnt, aber es kommt doch immer wieder auf. Verzieht Christian Streich sein Gesicht, ist es authentisch; verzieht 2011er Jürgen Klopp sein Gesicht, ist es emotional; verzieht 2013er Jürgen Klopp sein Gesicht, ist es eine indirekte Gefährdung an Leib und Leben der Amateurschiedsrichter.
Viele Artikel regen einfach nur auf, gehen mehr auf Klatsch & Quatsch als auf Fußball ein.
Früher hätte es sowas nicht gegeben.

Außerdem ist es heutzutage vielversprechender, Dortmund-Sympathisant zu sein.
Eigentlich mag ich es nicht, über Fans zu urteilen, und doch erscheint es mir so, als hätte sich inzwischen eine beachtliche Anzahl Erfolgsfans gebildet. Wie hätte es auch nicht sein können, Bayern München führt einem die Existenz dieses Phänomens bei jedem Heimspiel vor Augen.
Und ich habe auch nichts gegen Erfolgsfans per se.
Wenn in einem Stadion allerdings Menschen stehen [!], die sich beim Versuch von Support angewidert zu den ähnlich gekleideten "Mitstreitern" umdrehen und eine Niederlage sogar mit einem Lächeln quittieren, weil es ihnen einige Punkte im Tippspiel eingebracht hat - ja dann könnt ich austicken. [Wolfsburg - eine Abrechnung]
Das ist nicht meine Auffassung von Fandasein, und auf diese Leute kann ich im Umfeld "meines" Vereins gut verzichten.

Früher war vielleicht nicht alles besser, aber vieles einfacher.

Donnerstag, 7. November 2013

"Ich hab doch nichts zu verbergen"

"Überwachung? Mir doch egal, ich hab eh nichts zu verbergen. Außerdem interessiert sich sowieso niemand für meine Daten."

Seitdem Edward Snowden mit seinen Enthüllungen über die weltweiten Ausspäh-Aktivitäten diverser Geheimdienste, insbesondere der US-amerikanischen NSA, für Aufsehen gesorgt hat, dominieren Fragen nach Konsequenzen und Aufklärung die deutsche Medienlandschaft.
Nicht wenige fordern drastische Maßnahmen gegenüber den Vereinigten Staaten, oder auch Asylrecht für den, momentan in Russland untergekommenen, Whistleblower Snowden.

In der Bevölkerung, so scheint es, ist das Thema weit weniger brisant. Rund drei Viertel aller Deutschen glauben nicht an persönliche Nachteile durch die massenhafte digitale Überwachung der NSA.
44% halten die momentane Diskussion sogar für überzogen.
Das ist nachvollziehbar.
Für die allermeisten "normalen" Bürger ergeben sich aus den Aktivitäten keine unmittelbaren Folgen. Es ist ganz natürlich, sich auf Probleme zu konzentrieren, mit denen man alltäglich konfrontiert wird. Im Gegensatz zu beispielsweise Steuererhöhungen, oder fehlenden Kitaplätzen, wirkt die Diskussion um amerikanische Spionagetätigkeiten doch sehr abstrakt.

Dabei geht es eigentlich um viel mehr, als "nur" die eigenen Daten.

Staaten stellen sich über geltendes Recht

Eine Demokratie basiert auf Gewaltenteilung. Laut dieser müssen sich auch Legislative und Exekutive, also unter anderem der Staat, an das Rechtswesen eines Landes halten.
Die Überwachung der Bürger (oder selbst Staatsoberhäupter) zahlreicher Staaten dieser Welt, durch eine Organisation des amerikanischen Verteidigungsministeriums, zeigt indes vor allem eins: Den USA sind die Souveränität des Individuums, und die geltende Gesetzeslage eines Landes vollkommen egal.
Die von ihnen veranlasste Ausspähung ist juristisch gesehen vollkommen intolerabel und illegal.

Das ist beunruhigend.
Umso mehr Macht eine Regierung hat, desto egoistischer und absolutistischer kann sie agieren. Der grundlegende Demokratiegedanke eines herrschenden Volkes wird somit Schritt für Schritt ausgehebelt.

Momentan mag das noch kein allzu großes Problem zu sein, aber auch in Deutschland lassen sich Beispiele finden, in denen die Regierung eigene Entscheidung über das Gesetz gestellt hat.
Eines wäre der Kauf von Steuer-CDs.

Vor diesem Hintergrund scheint es mir unerlässlich, über die Frage der Relevanz eigener Daten hinaus zu blicken und sich zu fragen, wohin diese Gleichgültigkeit von Regierungen gegenüber ihrer Verantwortung vor dem Gesetz führen kann.

Auch im Falle der NSA scheint die USA von jeglichen Sanktionen oder Bestrafungen verschont zu bleiben.
Wie weit dürfen die Oberhäupter eines Staates noch gehen, bis Gerichte oder Volk endlich mal konsequent dazwischen gehen und von ihrer Demokratie Gebrauch machen?